Nähe – Distanz
Zoé Hopfs Arbeiten charakterisiert ein inniges Zusammenspiel von Annäherung und Abstand. Das künstlerische Vorgehen kann als behutsames Abtasten der Umgebung auf Distanz bezeichnet werden. Als Ermöglichung einer Berührung ohne Anfassen. Ein Eintauchen und Begreifen aus der Ferne ins ganz Nahe; eben nicht der sehnsuchtsvolle Blick ins Weite, sondern direkt vor die Füße. Mit fotochemisch präparierten Leinwänden bewegt sich die Künstlerin in ihrem Umfeld, wählt Standorte aus, beobachtet. Wartet. Kein jähes Abfangen des einen, perfekten, doch hektisch bereits wieder sich verflüchtigenden Moments, sondern: die Gelassenheit, den Augenblick – der stets eine irreduzible Reihe von Eindrücken im Plural ist – vorbeiziehen zu lassen. Zuzusehen, wie er von einem besonderen, gerade wahrgenommenen Ort in die Zeit fließt, wie diese wiederum auf der Leinwand sich abzeichnet und vage fassbar wird für unsere Augen.
Fast ließe sich bei dieser Beschreibung an impressionistische Plein-Air-Malerei denken. Nur dass Zoé Hopf nicht an der Staffelei steht und den Pinsel führt, sondern sachte Flächen ausrichtet, ihren Körper umsichtig durch Büsche und Bäume bewegt – und dabei parallel zum fotochemischen Prozess auf dem Textil ebenso selbst Licht, Stimmung und flüchtige Sinnesreize als innere Ab- und Eindrücke eines korrespondierenden Außens aufnimmt. Für die Betrachter:innen unsichtbar, ist dieser Anteil des körperlichen Erlebens der Künstlerin, der intuitiv auch die Positionierung der Bilder in der Natur mitbestimmt, zentral auf Produktionsebene der Arbeiten. Malerisch zu wolkigen Seen verschwimmend, fügen sich die Farbflecken unscharf zueinander. Sie fügen sich vielleicht weniger bloß zum Abbild eines physischen Ortes als mehr noch zum Porträt eines Aufenthaltes oder einer Begegnung – der Begegnung einer inneren und einer äußeren Natur, die aufeinander einwirken, sich umspielen, in unterschiedlicher Intensität auf ihr Gegenüber treffen.
Dr. Ellen Wagner
Detail – Verlauf
Die Serie der Cyanotypien, die unmittelbar für die Ausstellung Ultraviolett. entstanden, dokumentieren die verstreichende Zeit im Garten um das Gebäude des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach. Die Titel der Bilder geben Datum, Belichtungszeit und UV-Wert des jeweiligen Tages an. Bei mehrfachen Besuchen des Ortes suchte die Künstlerin immer wieder die gleichen Stellen und Pflanzen auf und begleitete deren Wachstum. Die in diesem Zuge jeweils belichteten Leinwände verfolgen jedoch nicht nur die sich wandelnde Gestalt der Gewächse, sondern mit deren Veränderungen zugleich die Variationen des Lichteinfalls. Vom Frühling in den Sommer entfalten sich die Pflanzen, bauschen sich mehr und dichter zusammen – damit prägen sie nicht nur das Farberleben im Garten durch ihr Grünen und Erblühen, sondern lenken, über ihre geringere Durchlässigkeit, auch die Wege des Sonnenlichts zwischen den Gewächsen hindurch. Sie gewinnen an Volumen, reichen mit ihren Ästen um sich und vergrößern so ihre Schatten, die sich auf den Bildern weiß als Formen im Negativ abzeichnen. Auf einigen Bildern wirkt es beinahe so, als entwickelten die Pflanzen mit ihrem Zugewinn an Volumen und Präsenz im Garten eine zunehmende Tendenz, sich auf den Fotos zu „verbergen“. Dringt weniger Licht durch das Blätterdach, wird ihr Abbild undeutlicher, musterhafter, fast wie in einer Art Camouflage der Natur, die sich üppig zeigt und gleichzeitig der Bildwerdung entzieht. Die Fotogramme in Ultraviolett porträtieren einen Ort in der Zeit. Zwischen den Architekturen des Gebäudes und des Gartens komponieren sich tragende Pfeiler und Stämme, Baumwipfel und Fassadenelemente als Schatten in den Raum und dort zu neuen Räumen in der Überlagerung von Gewachsenem mit Gebautem. In einem nur scheinbaren Paradox gibt die Serie fragmentierte Details wie auch ganzheitliche Eindrücke eines Verlaufes wieder: So sind Hopfs Motive ausschnitthaft, teils so stark, dass ihr figurativer Ursprung, Flora und Architektur, kaum noch erkennbar bleibt. Vielmehr unterschwellig dringt dieser durch das assoziative Blau der monochromen Bilder. Parallel entwickeln flächige Farbverläufe ihre Präsenz auf den Bildträgern und vermitteln eine Atmosphäre, die man schon beim bloß visuellen Betrachten körperlich zu spüren vermag, als wärme das Sonnenlicht noch in seiner auf dem Textil hinterlassenen Spur unseren Blick; als kühlten die Schatten den sinkenden blauen Grund. Mit weichen Konturen zeichnen sich die Verteilungen des Sonnenlichts über die Dauer ab, in der die Bildfläche der UV-Strahlung ausgesetzt war. Der Entstehungsort wird somit im ganz Kleinen, in motivischen Details, aber auch in einer für die ungreifbare, doch prägende Stimmung des Moments stehende Farbintensität aufgefangen. Man könnte sich die Leinwand als Kescher vorstellen, der Licht und Schatten über einen gewissen Zeitraum aufhält und Bild werden lässt. In dieser Funktion wird sie manchmal sogar selbst – nicht vom Licht, sondern vom Wind – umgeweht und muss neu aufgestellt werden, was wiederum zu Mehrfachbelichtungen aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln führt. Die Bildfläche gewinnt durch ihre Angreifbarkeit durch die Luftstöße – man könnte darin auch Beweglichkeit sehen – an Tiefe. Sie schaut nicht bloß aus einer Richtung auf ihr Motiv, sondern blickt um sich.
Dr. Ellen Wagner
Ruhe – Bewegung
Da die Motive nicht direkt auf dem mit der Chemikalienlösung präparierten Bildträger aufliegen, sondern diese nur hin und wieder streifen, bleibt Raum für Bewegung – so etwa, wenn sich ein Farn oder ein beblätterter Zweig während der Belichtungszeit leicht im Wind hin und her wiegt und damit mal mehr, mal weniger Sonneneinstrahlung zu exakt den gleichen Stellen auf der Leinwand durchdringen lässt. Das in der fertigen Cyanotypie weiß sich abzeichnende Motiv scheint darum manchmal auszufransen, zu verwehen, mutet mitunter fast schon entflammt an – auch die Interaktion der natürlichen Elemente findet sich also übersetzt in eine weiß im Negativ sich abzeichnende Form, während der Rest der Fläche gewissermaßen „verblaut“, in eine Ferne der neutralen Hintergrundfarbe rückt. Doch auch diese Rolle bleibt sprunghaft, nicht festgelegt, sondern immer bereit, durch ihre Intensität und Abstufung in den Fokus unserer Aufmerksamkeit vorzustoßen.
Auch weisen die Arbeiten trotz ihres zarten Spiels mit Negativformen und ruhigen Tönen eine deutliche Haptik auf. Stellenweise scheint das grundierte und gefärbte Gewebe geradezu grob – auf eine sanfte und bestimmte Art. So wie Gewebe beschaffen ist, das hält, ohne aufzuhalten; das dem Licht ein Gegenüber bietet, sich zuverlässig wie auch durchlässig zeigt. Der mal satte, dann wieder luftige oder gar bleiche Ton ist durchzogen von sachtem Rauschen und feinen Linien, die uns zwingen, genauer hinzusehen: Handelt es sich um eine sich abzeichnende Kontur eines Halms, einer Wurzel? Oder verfing sich hier ein Faden des Textils bei der Grundierung mit der Chemikalie, der sich nun kräuselt, dehnt und reckt, als versuchte er, aus seiner Rolle als Störrigkeit des Materials hinauszuwachsen und in den Vordergrund des Bildgeschehens einzutreten? Gewachsenes, Gewebtes und Gefärbtes treten auf den Bild- beziehungsweise Materialflächen in Zoé Hopfs Arbeiten ineinander und verbinden sich. Die den Herstellungsprozess kennzeichnende Ruhe, das Zulassen der gerade nicht ganz zu kontrollierenden Reaktionen des Materials, stößt eine Bewegung im Betrachten an. Je nach Größe des Formats schlängelt und schweift der Blick, überspringt die Abstände zwischen einzelnen gehängten Arbeiten, um Vergleiche der tief- oder blassblauen Nuancen und Rückschlüsse auf den Moment der Aufnahme zu ziehen. Was sich dabei im sensiblen Gewebe verfängt, sind eigene Erinnerungen und Ausblicke.
Dr. Ellen Wagner
Nähe – Distanz
Zoé Hopfs Arbeiten charakterisiert ein inniges Zusammenspiel von Annäherung und Abstand. Das künstlerische Vorgehen kann als behutsames Abtasten der Umgebung auf Distanz bezeichnet werden. Als Ermöglichung einer Berührung ohne Anfassen. Ein Eintauchen und Begreifen aus der Ferne ins ganz Nahe; eben nicht der sehnsuchtsvolle Blick ins Weite, sondern direkt vor die Füße. Mit fotochemisch präparierten Leinwänden bewegt sich die Künstlerin in ihrem Umfeld, wählt Standorte aus, beobachtet. Wartet. Kein jähes Abfangen des einen, perfekten, doch hektisch bereits wieder sich verflüchtigenden Moments, sondern: die Gelassenheit, den Augenblick – der stets eine irreduzible Reihe von Eindrücken im Plural ist – vorbeiziehen zu lassen. Zuzusehen, wie er von einem besonderen, gerade wahrgenommenen Ort in die Zeit fließt, wie diese wiederum auf der Leinwand sich abzeichnet und vage fassbar wird für unsere Augen.
Fast ließe sich bei dieser Beschreibung an impressionistische Plein-Air-Malerei denken. Nur dass Zoé Hopf nicht an der Staffelei steht und den Pinsel führt, sondern sachte Flächen ausrichtet, ihren Körper umsichtig durch Büsche und Bäume bewegt – und dabei parallel zum fotochemischen Prozess auf dem Textil ebenso selbst Licht, Stimmung und flüchtige Sinnesreize als innere Ab- und Eindrücke eines korrespondierenden Außens aufnimmt. Für die Betrachter:innen unsichtbar, ist dieser Anteil des körperlichen Erlebens der Künstlerin, der intuitiv auch die Positionierung der Bilder in der Natur mitbestimmt, zentral auf Produktionsebene der Arbeiten. Malerisch zu wolkigen Seen verschwimmend, fügen sich die Farbflecken unscharf zueinander. Sie fügen sich vielleicht weniger bloß zum Abbild eines physischen Ortes als mehr noch zum Porträt eines Aufenthaltes oder einer Begegnung – der Begegnung einer inneren und einer äußeren Natur, die aufeinander einwirken, sich umspielen, in unterschiedlicher Intensität auf ihr Gegenüber treffen.
Ellen Wagner
Detail – Verlauf
Die Serie der Cyanotypien, die unmittelbar für die Ausstellung Ultraviolett. entstanden, dokumentieren die verstreichende Zeit im Garten um das Gebäude des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach. Die Titel der Bilder geben Datum, Belichtungszeit und UV-Wert des jeweiligen Tages an. Bei mehrfachen Besuchen des Ortes suchte die Künstlerin immer wieder die gleichen Stellen und Pflanzen auf und begleitete deren Wachstum. Die in diesem Zuge jeweils belichteten Leinwände verfolgen jedoch nicht nur die sich wandelnde Gestalt der Gewächse, sondern mit deren Veränderungen zugleich die Variationen des Lichteinfalls. Vom Frühling in den Sommer entfalten sich die Pflanzen, bauschen sich mehr und dichter zusammen – damit prägen sie nicht nur das Farberleben im Garten durch ihr Grünen und Erblühen, sondern lenken, über ihre geringere Durchlässigkeit, auch die Wege des Sonnenlichts zwischen den Gewächsen hindurch. Sie gewinnen an Volumen, reichen mit ihren Ästen um sich und vergrößern so ihre Schatten, die sich auf den Bildern weiß als Formen im Negativ abzeichnen. Auf einigen Bildern wirkt es beinahe so, als entwickelten die Pflanzen mit ihrem Zugewinn an Volumen und Präsenz im Garten eine zunehmende Tendenz, sich auf den Fotos zu „verbergen“. Dringt weniger Licht durch das Blätterdach, wird ihr Abbild undeutlicher, musterhafter, fast wie in einer Art Camouflage der Natur, die sich üppig zeigt und gleichzeitig der Bildwerdung entzieht. Die Fotogramme in Ultraviolett porträtieren einen Ort in der Zeit. Zwischen den Architekturen des Gebäudes und des Gartens komponieren sich tragende Pfeiler und Stämme, Baumwipfel und Fassadenelemente als Schatten in den Raum und dort zu neuen Räumen in der Überlagerung von Gewachsenem mit Gebautem.
In einem nur scheinbaren Paradox gibt die Serie fragmentierte Details wie auch ganzheitliche Eindrücke eines Verlaufes wieder: So sind Hopfs Motive ausschnitthaft, teils so stark, dass ihr figurativer Ursprung, Flora und Architektur, kaum noch erkennbar bleibt. Vielmehr unterschwellig dringt dieser durch das assoziative Blau der monochromen Bilder. Parallel entwickeln flächige Farbverläufe ihre Präsenz auf den Bildträgern und vermitteln eine Atmosphäre, die man schon beim bloß visuellen Betrachten körperlich zu spüren vermag, als wärme das Sonnenlicht noch in seiner auf dem Textil hinterlassenen Spur unseren Blick; als kühlten die Schatten den sinkenden blauen Grund. Mit weichen Konturen zeichnen sich die Verteilungen des Sonnenlichts über die Dauer ab, in der die Bildfläche der UV-Strahlung ausgesetzt war. Der Entstehungsort wird somit im ganz Kleinen, in motivischen Details, aber auch in einer für die ungreifbare, doch prägende Stimmung des Moments stehende Farbintensität aufgefangen. Man könnte sich die Leinwand als Kescher vorstellen, der Licht und Schatten über einen gewissen Zeitraum aufhält und Bild werden lässt. In dieser Funktion wird sie manchmal sogar selbst – nicht vom Licht, sondern vom Wind – umgeweht und muss neu aufgestellt werden, was wiederum zu Mehrfachbelichtungen aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln führt. Die Bildfläche gewinnt durch ihre Angreifbarkeit durch die Luftstöße – man könnte darin auch Beweglichkeit sehen – an Tiefe. Sie schaut nicht bloß aus einer Richtung auf ihr Motiv, sondern blickt um sich.
Ellen Wagner
Ruhe – Bewegung
Da die Motive nicht direkt auf dem mit der Chemikalienlösung präparierten Bildträger aufliegen, sondern diese nur hin und wieder streifen, bleibt Raum für Bewegung – so etwa, wenn sich ein Farn oder ein beblätterter Zweig während der Belichtungszeit leicht im Wind hin und her wiegt und damit mal mehr, mal weniger Sonneneinstrahlung zu exakt den gleichen Stellen auf der Leinwand durchdringen lässt. Das in der fertigen Cyanotypie weiß sich abzeichnende Motiv scheint darum manchmal auszufransen, zu verwehen, mutet mitunter fast schon entflammt an – auch die Interaktion der natürlichen Elemente findet sich also übersetzt in eine weiß im Negativ sich abzeichnende Form, während der Rest der Fläche gewissermaßen „verblaut“, in eine Ferne der neutralen Hintergrundfarbe rückt. Doch auch diese Rolle bleibt sprunghaft, nicht festgelegt, sondern immer bereit, durch ihre Intensität und Abstufung in den Fokus unserer Aufmerksamkeit vorzustoßen.
Auch weisen die Arbeiten trotz ihres zarten Spiels mit Negativformen und ruhigen Tönen eine deutliche Haptik auf. Stellenweise scheint das grundierte und gefärbte Gewebe geradezu grob – auf eine sanfte und bestimmte Art. So wie Gewebe beschaffen ist, das hält, ohne aufzuhalten; das dem Licht ein Gegenüber bietet, sich zuverlässig wie auch durchlässig zeigt. Der mal satte, dann wieder luftige oder gar bleiche Ton ist durchzogen von sachtem Rauschen und feinen Linien, die uns zwingen, genauer hinzusehen: Handelt es sich um eine sich abzeichnende Kontur eines Halms, einer Wurzel? Oder verfing sich hier ein Faden des Textils bei der Grundierung mit der Chemikalie, der sich nun kräuselt, dehnt und reckt, als versuchte er, aus seiner Rolle als Störrigkeit des Materials hinauszuwachsen und in den Vordergrund des Bildgeschehens einzutreten? Gewachsenes, Gewebtes und Gefärbtes treten auf den Bild- beziehungsweise Materialflächen in Zoé Hopfs Arbeiten ineinander und verbinden sich. Die den Herstellungsprozess kennzeichnende Ruhe, das Zulassen der gerade nicht ganz zu kontrollierenden Reaktionen des Materials, stößt eine Bewegung im Betrachten an. Je nach Größe des Formats schlängelt und schweift der Blick, überspringt die Abstände zwischen einzelnen gehängten Arbeiten, um Vergleiche der tief- oder blassblauen Nuancen und Rückschlüsse auf den Moment der Aufnahme zu ziehen. Was sich dabei im sensiblen Gewebe verfängt, sind eigene Erinnerungen und Ausblicke.
Ellen Wagner